Monique Lhoir (Monika Pallasch) Autorin in Tespe-Bütlingen Romane, Geschichten... und noch mehr
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Vorratshaltung in Krisenzeiten

Frau Müller war völlig fertig. Den ganzen Tag war sie unterwegs gewesen, hatte sämtliche Super-märkte in der Umgebung abgegrast, um für die nächsten zwei Wochen einzukaufen. Es gab kaum noch etwas. Alle überlebensnotwendigen Lebens-mittel weg, vergriffen, Regale leer. Doch, Gott sei Dank, am Ende hatte sie genau das erstanden, was dringend notwendig war: 50 Kilogramm Mehl, 80 Pakete Nudeln verschiedener Sorten, 60 Groß-pakete Toilettenpapier à sechszehn Rollen sowie zweihundert Päckchen Trockensoßen.

Erschöpft ließ sie sich in einen Sessel nieder und sah zufrieden auf ihre Über-lebensrationen, die sie im Wohnzimmer gestapelt hatte. Morgen würde sie den Kel-ler aufräumen, um dort die Vorräte unterzubringen. Das hatte sie vorher nicht mehr geschafft. Zu schnell überflutete der Corona-Virus das Land, sodass niemand zum Nachdenken, geschweige denn zum Bunkern von haltbaren Lebensmitteln und Toilettenpapier kam.

Rasch fütterte sie ihre vier Katzen, die früh um sechs zuletzt etwas zu fressen be-kommen hatten und nun skeptisch die Warenberge betrachteten. Dann begab sie sich zu Bett.

„Was ist das?“, fragte Max der Kater und schlich vorsichtig um die Stapel herum.

„Sieht merkwürdig aus“, maunzte Katze Marie. „Gar keine Futterdosen.“ Auch sie beäugte die sonderbaren Pakete. „Aber schau“, wandte sie sich an Max, „viele, viele Tüten.“

Marie war Expertin für Tüten. Sobald nur eine einzige Leckerlie-Tüte aus Versehen liegengelassen wurde, war es ihre. Sie hatte den Dreh raus. Mit einem kurzen Ratsch mittels der Kralle bekam sie ein solches Päckchen auf.

Rasch schnappte sie nach einer Trockensoße. Ratsch. Das Pulver verteilte sich auf den Fußboden. Sie probierte davon und rümpfte die Nase. Unbrauchbar. Sie öffnete die nächste Packung. Ungenießbar. So arbeitete sie sich durch sämtliche zweihundert Tüten.

Während Marie mit den Soßen beschäftigt war, enterten die beiden neun Monate alten Kitten Tom und Jerry den Toi-lettenpapierstapel. Es kam, wie es kommen musste, der Berg brach zusammen und verteile sich über die Trocken-soßen. Es dauerte gar nicht lange, da hatten Tom und Jerry raus, wie man die einzelnen Rollen aus dem Plastik bekam. Hui, das machte Spaß. Damit konnte man fein spielen. Fast tausend dieser weißen Bälle kullerten so durchs Wohnzimmer.

Nun bequemte sich auch Kater Max, bei diesem Gaudi mitzuwirken. Er half Marie tatkräftig beim Öffnen der Nudeltüten, in der Hoffnung, darin etwas Essbares zu finden. Mehr und mehr verteilten sich Spaghettis, Suppennudeln, Hörnchen, Cannelloni, Farfalle und Makkaroni über den Boden.

Das wiederum interessierte Tom und Jerry. Cannelloni und Makkaroni eigneten sich bestens zum Fußballspielen. So kullerte die eine Nudel unter das Sofa, die andere unter den Schrank, die nächste schaffte es sogar bis auf den Flur und so weiter. Plötzlich kippte der Stapel mit den Mehltüten um. Eine Tüte platze. Eine Mehlwolke zog durch den Raum.

„Wie siehst du denn aus?“ Marie kicherte. „Ein weißer Kater!“

„Na warte.“ Max riss eine weitere Mehltüte auf und pustete das Pulver Marie entgegen. „Nun bist du auch weiß“, stellte er zufrieden fest. So entstand eine lustige Mehlschlacht, bis endgültig alle Tüten zerrissen waren.

Tom wurde des Fußballspielens mit Nudeln überdrüssig und widmete sich den Toilettenrollen. Dabei entdeckte er, dass man ein Ende lösen und damit durch sämtliche Räume toben konnte, während sich das Papier abwickelte. Nicht faul machten sogleich Jerry, Max und Marie mit. Immer ein Ende des Papiers im Maul tobten sie quer durch die gesamte Wohnung. Aus dem Wohnzimmer durch den Flur in die Küche und wieder zurück. Dabei sprangen sie durch das Mehl, welches sich inzwischen mit dem Soßenpulver vermischt hatte. Das Spiel betrieben sie so lange, bis alle Rollen abgewickelt waren.

Erschöpft blieben alle Vier liegen. „Da haben wir ganze Arbeit geleistet“, sinnierte Max und besah sich die Stube. Um Tische, Sessel, Schränke war Toilettenpapier gewickelt, dicke Mehlschichten lagen auf den Polstern, verschiedene Nudelsorten tummelten sich in der Trockensoße. Er schüttelte sich. Eine Mehlwolke löste sich aus dem Fell. Eine einsame Cannelloni kullerte ihm entgegen. Ungenießbar.

 

© Monique Lhoir

 

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